Dorfkirche Alt-Reinickendorf
In der Straße Alt-Reinickendorf ist die Dorfaue mit der mittelalterlichen Dorfkirche erhalten geblieben. Der kleine, unverputzte Saalbau ist vermutlich gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstanden. Die ebenfalls noch vorhandene alte Bronzeglocke stammt aus dem Jahr 1491. Typisch für diese Periode sind die nachlässige Technik beim Aufmauern der Feldsteine und die teils spitzbogigen, teils rundbogigen Fenster. Der Chorschluss in Form eines Halbkreises ist in Berlin einmalig. Er bildet den Gegenpol zu dem vor der Westfront stehenden quadratischen Turm von 1713, der kaum den Dachfirst der Kirche überragt.
(Text: Reinickendorf.de)
© Martina Friedrich © Olaf Striboll
Offene Kirche - Raum der Stille & historischer Raum
Der Innenraum der Dorfkirche
Wie die Welt vor einem halben Jahrtausend ausgesehen hat, können wir uns kaum vorstellen. Könnten uns die Menschen aus ihrer Zeit berichten, würden wir von einem anderem Leben hören, zusammengehalten durch Sakramente der Kirche, der Feste des Jahres…, in denen jeder Mensch seinen Ort hat. Genau aus dieser Zeit stammt unsere kleine Dorfkirche. Sie wurde nämlich vor ca. 500 Jahren gebaut und ist so eine der ältesten Kirchen von Berlin. Aber nicht nur das Alter macht unsere Kirche so sehenswert, auch durch den erhaltenen Feldsteinbau entwickelt sie einen dörflichen Charakter. Zudem ist der runde Chorhof eine Pracht, die es nur einmal in der ganz Hauptstadt gibt. Die kleine Priestertür an der Seite des Gotteshauses, lässt darauf schließen, dass es sich früher um eine katholische Kirche gehandelt hat. |
Nun zum Glockenturm: Der Glockenturm wurde nicht wie viele denken, gleich mit Beginn des Baus errichtet, sondern erst ca. 300 Jahre danach. Das genaue Datum 1713 kann man auf der Wetterfahne an der Spitze ablesen. Die Glocke jedoch, die uns mehrmals in einer Stunde zu hören kommt, wurde schon im Jahre 1491 gegossen. Der Turm ist, wie im Jahre 2017 noch einmal nachgemessen wurde, inklusive Spitze 22 Meter hoch. Auf der heutigen Grünanlage ringsherum war im 15. Jahrhundert ein Friedhof. Daher auch die drei Kreuze, die bis heute erhalten sind. Eine weitere Besonderheit ist, dass die kleine Kirche in der Mitte unsere „Dorfes“ steht. Dies hat zur Bedeutung, dass die Gemeinde ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens ist, Taufe, Jugend, Hochzeit und Beerdigung. Das Innere der kleinen Dorfkirche war jedoch nicht immer schon so schön. Erst durch die Reformation und durch eine Renovierung von 1936-1938 entwickelte sich die schöne innere Pracht.
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Innenraum mit Altar |
Glockenturm |
Das Altarbild in der Dorfkirche
Im Jahr 2007 wurde durch eine Restauratorin das Altarbild in der Dorfkirche aufwändig restauriert. Zusätzlich wurde die Kirche mit einer neuen Heizungssteuerung und einer Luftbefeuchtungsanlage ausgestattet. An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich für das tolle Engagement der Restauratorin und nicht zuletzt bei der Spenderin für die finanzielle Unterstützung bedanken.
Timo Müller
Die Schuke-Orgel in der Dorfkirche
Das Instrument wurde 1971 als Opus 272 von Fa. Karl Schuke Orgelbau in Berlin erbaut. Dabei wurde das Gehäuse der Dinse-Orgel von 1891 wiederverwendet. Die Orgel hat 12 klingende Register mit 16 Pfeifenreihen, verteilt auf 2 Manuale und Pedal, davon 1 gemischte Stimme mit mehr als 2 Chören.
© Olaf Striboll
Die Dorfkirche aus der Luft
Die Dorfkirche im nördlichen Gemeindgebiet |
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Zur Historie des Dorfangers
Der einst mit einer Gruppe von Bauten besetzte Dorfanger - vor dem Chor der Kirche lag bis 1911 die Dorfschule, westlich der Kirche bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Familienhaus des Lehnschulzen - wird heute allein durch den gedrungen wirkenden Bau der Dorfkirche inmitten der flächigen Grünanlage bestimmt. Nur noch als Zeichen, gleichsam in Erinnerung an den alten Dorffriedhof, beließ man drei mit Efeu bewachsene Grabstätten, deren einfache, gußeiserne, lateinische Grabkreuze die Namen alteingesessener Bauernfamilien überliefern: der Kerkow (1861 und 1869), von deren Bauernhof (Alt-Reinickendorf 47/48) das Wohnhaus erhalten blieb, und der Klamann (1857), deren Hof (Alt-Reinickendorf 25-29) in den Fabriken Turbon und Schwartzkopff aufging.
Die langgestreckte Grünanlage des Dorfangers ist in ihrem heutigen Grundriß das Produkt einer mehrhundertjährigen Entwicklung. Erst durch die Pflasterung der umgebenden Straße mit ihren dazugehörigen Bordsteinen wurde die Grünanlage eindeutig festgelegt. Bemerkenswerterweise blieb dabei die natürliche Geländebewegung erhalten; nur so ist es zu erklären, daß der nördliche Straßenteil bis zu einem Meter höher liegt als der südliche. Dieser Höhenunterschied wird innerhalb der Grünanlage fast unmerklich durch eine nach Süden geneigte großzügige Rasenfläche aufgefangen. Auf ihr stehen ältere Laubbäume, die das Erscheinungsbild des Dorfangers entscheidend prägen. Ihre aufgeasteten Stämme gestatten eine freie Durchsicht von der einen zur anderen Häuserfront des Dorfangers. Die optische Wirkung und die Zugehörigkeit eines Teils des Baumbestandes zur Bepflanzung der Straße Alt-Reinickendorf - aus der sonst zweireihigen Lindenallee entstand im Bereich des Angers eine vierreihige Allee bindet die an sich inselartige Grünanlage in das Freiraumsystem der alten Dorflage ein. Gleichwohl trägt dichtes Strauchwerk an den Enden der Insel zur Raumbildung innerhalb der Grünanlage bei.
Die Kirche ließ der Rat der Schwesterstädte Berlin und Cölln vermutlich Ende des 15. Jahrhunderts errichten.(1) Die Bauzeit wird durch keine Urkunde belegt, doch deutet die Jahreszahl 1491 auf der Bronzeglocke und auch das weniger sorgfältig ausgeführte Feldsteinmauerwerk auf diese Entstehungszeit. Der einfache Saalbau, der offenbar einen Vorgängerbau in Holzfachwerk ersetzte , besticht durch seinen halbrunden, in Berlin, nicht in der Mark ungewöhnlichen Chorschluß, der bündig an das Mauerwerk der Langwände anschließt und in Anlehnung an die Chorformen der St. Nikolaikirchen in Berlin und Spandau entstanden sein könnte.(2) Gleichsam das Gegenstück dazu bildet der in barocker Zeit vor der Westseite errichtete, kaum den Dachfirst überragende, massive Turm mit konkav geschweiftem Helm. Die heutige Fassung des mehrfach veränderten Innenraums - Paul Thol schuf die Neubemalung der Balkendecke und der Orgelempore - geht auf eine Grunderneuerung der Kirche in den Jahren 1936-38 zurück, als unter der Leitung des ehemaligen Provinzialkonservators der Reichshauptstadt, Walter Peschke, u.a. auch der Zementputz des Außenbaus durch einen steinsichtigen Putz in Förderstedter Kalk ersetzt wurde.(3) An Ausstattungsstücken sind neben den Chorfenstern, die von der Bauernfamilie Bruseberg gestiftet wurden, der um 1520 nach Holzschnitten Dürers entstandene Flügelaltar mit gemalten Passionsszenen und zwei Schnitzfiguren der Maria und der Hl. Margareta, vermutlich um 1500, hervorzuheben. Die Kirche, die man für die Einwohner eines Dorfes mit geringer Hufenzahl errichtet hatte, genügte bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts den kirchlichen Erfordernissen selbst der Landgemeinde. Erst mit den neuen Siedlungen wurde ein größerer Bau notwendig, der 1892 mit der Segenskirche an der Auguste-Viktoria-Allee entstand.
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1) Die Bezeichnung "Hauptkirche" für die Dorfkirche leitet sich von dem früheren Namen der den Anger umschließenden Straße Alt-Reinickendorf, der Hauptstraße, ab.
Zur Dorfkirche: Günter Kühne/Elisabeth Stephani, Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978, S. 117 f.; Kurt Pomplun. Berlins alte Dorfkirchen. Berlin 1984, S. 79 f.
2) Ebd. Pomplun, S. 79. Er nennt die Kirchen in Stolzenhagen bei Wandlitz, Lässig, Reipzig und Stenzig (Kr. Weststernberg) sowie Techow bei Wittstock, Wollschow (Kr. Prenzlau), Dölzig und KleinMantel (Kr. Königsberg NM.).
3) Walter Peschke, Drei Berliner Dorfkirchen. In: Zentralblatt der Bauverwaltung (62) 1942, H. 5/6, S. 49 ff.